Skip to main content
Regeneration – Ruhephasen – Periodisierung des Trainings
Servus!
Schön, dass ihr es wieder bis hierher geschafft habt. Ich (Tim) befinde mich zurzeit im Urlaub und betrachte an mir selbst gerade ein gewisses Phänomen, was ich sehr gerne mit euch teilen möchte. Warum? Weil ich der Meinung bin, dass dieses „Phänomen“ jeden Läufer und Sportler zu einem noch besseren Sportler macht. Was das Phänomen oder das Thema ist? Ruhe. Ruhe? Ja, Ruhe, oder Ruhewochen.
Ich schreibe in den folgenden Zeilen über periodische Trainingsgestaltung, versuche zu verraten, warum Periodisierung wichtig ist und was man in einer „Entlastungswoche“ trotzdem noch alles machen kann. Wer nicht so viel Zeit hat, alles zu lesen, der scrollt am besten mal ganz nach unten, da stehen die wichtigsten Punkte in Stichworten zusammengefasst. Ich freue mich natürlich, wenn ihr euch die 4-5 Minuten Zeit nehmt, den Artikel zu lesen, der ungelogen am Strand auf einer Sonnenliege entstanden ist. Bevor ich mich wieder festquatsche, starten wir lieber.
Was ist Periodisierung?
Achtung, Theorie: Die Periodisierung bezieht sich auf die planmäßige Gestaltung des Trainings. Man versucht, sein Training so zu planen, dass man an einem bestimmten Zeitpunkt (also am Renntag) sein maximales Leistungsniveau erreichen kann. Runter gebrochen heißt das nichts anderes als eine intelligente Planung des Trainings, um an Tag X, zum Beispiel beim Berlin Marathon, in Topform zu sein. Das Training beinhaltet neben den Belastungen und Trainingsreizen aber auch ruhigere Wochen, sogenannte Entlastungswochen. Somit wird sichergestellt, dass der Körper die intensiven Wochen besser verkraftet, weil er in den ruhigen Wochen Kraft sammeln kann und sich erholt, um dann das Training weiter steigern zu können (Superkompensation). Am Ende des Trainingsblocks ist man im Idealfall in Topform. Über die Trainingsblöcke und Einheiten will ich heute aber nicht sprechen, sondern über etwas vermeintlich Ungewöhnliches, wie in der Einleitung schon angepriesen. Entlastung und Ruhe.
Wie sehen typische Entlastungswochen aus?
Ohne hier großartig über „richtige“ oder modellhafte Entlastungswochen zu sprechen, gebe ich euch einfach mal einen Einblick, wie eine solche Woche bei mir ausschaut. Ich lege mir meine Entlastungswoche(n) gerne in den Urlaub, weil ich da besser abschalten kann und mich mit anderen Dingen befasse. Zuhause habe ich meinen Alltag, und da gehört mindestens eine Laufeinheit am Tag auch dazu. Im Urlaub kann ich diese Routine ablegen. Also, wie sieht so eine Woche bei mir aus?
Grundsätzlich versuche ich in der Entlastungswoche etwa halb so viel Umfang zu laufen, wie ich es in einer normalen Woche sonst mache. Das sind bei mir 100-125 km, in der ruhigen Woche also „nur“ 50-60 km. Wichtig: Versteht das hier bitte nicht falsch, denn 60 Wochenkilometer sind für die allermeisten, die das hier lesen, sehr wahrscheinlich eine ganze Menge Kilometer in der Woche. Meine Umfänge sind halt etwas höher. Ich habe, während ich das hier gerade schreibe, aktuell die erste Entlastungswoche hinter mir und habe gelaufene 47 km in den Büchern stehen. Hinzu reihen sich aber noch gute 5,5 km ganz moderates Schwimmen, irgendwo muss die angestaute Energie ja hin. Spaß beiseite. In den Entlastungswochen beschäftige ich mich gerne und viel mit (alternativen) Sportarten, die ich sonst seltener ausübe, und da gehört Schwimmen eben auch dazu. Rad fahre ich (generell und auch) sonst sehr gerne vermehrt in meinen Ruhewochen, hier im Urlaub habe ich mich aber gegen das Radeln entschieden. Ab und an eine kurze Krafteinheit am Abend oder Dehnen am Strand schaden natürlich auch niemals. Da diese Routinen bei meinem normalen Trainingsalltag feste Bestandteile sind, lasse ich auch diese in der Ruhezeit etwas schleifen. Und das ist auch völlig okay.
Alternativtraining
Hier muss ich etwas weiter ausholen, denn Alternativtraining ist grundsätzlich nicht nur etwas für die Ruhewochen, ganz im Gegenteil. Es kann niemals schaden, sich mit diesem Thema auch während des normalen Trainingsalltags zu beschäftigen. Klar, da hat man mit dem geregelten Lauftraining schon ein wenig mehr um die Ohren, aber gegen eine moderate Radtour am Abend oder ein 30-minütiges Krafttraining würde ich (nahezu) niemals etwas dagegen sagen.
Ich hab’s eben aber schon angedeutet, denn in den ruhigeren Wochen hat man einfach etwas mehr Zeit, um sich verstärkt mit Alternativsport zu befassen. Aber eins sollte die Ruhewoche immer bringen: Den Körper schonen und Kraft tanken. Wenn statt der täglichen Laufeinheit diese durch eine Radfahrt substituiert wird, dann verfehlt man das Ziel der Ruhewoche wahrscheinlich. Man tut sich ja bewusst in der „Ruhe“-Woche ein wenig mehr „Ruhe“ an, um dem Körper Zeit für Erholung zu schenken. Mit einer täglichen Radfahrt werden die Gelenke zwar schonender behandelt, aber die Muskulatur wird ja dennoch beansprucht.
Wichtig ist, wirklich mal nichts zu tun. Ja, das ist für viele echt schwierig, aber zwingt euch mal für eine Woche dazu, vielleicht nur jeden zweiten Tag eine moderate Einheit zu absolvieren. Euer Körper wird’s euch danken. Und seid euch sicher: In dieser einen Woche verliert ihr keinen einzigen Prozent an Leistungsfähigkeit. Ich würde sogar behaupten, dass ihr gestärkter aus der Woche hervorgeht, weil ihr ausgeruhter und frischer ins nächste Trainingsprogramm einsteigen könnt.
Wie sieht die Intensität der Einheiten aus in Ruhewochen?
Wenn ich sage: „Macht das, worauf ihr Bock habt“, dann wäre das wahrscheinlich eine recht fatale Aussage. Also lasst mich meinen „Tipp“ etwas ausschmücken.
Über die Umfänge (ca. 50 % Reduktion des Wochenumfangs) haben wir gesprochen. Bei der Intensität mache ich es mir einfach. Ich lege mir zwar meine Uhr um den Arm und auch meinen Pulsgurt um, wenn ich meine Läufe in der Ruhewoche tracke, mache das aber nur, weil ich die Daten für meine Jahreswerte allesamt aufzeichnen möchte. Und weil ich die Kudos auf Strava abgreifen will! Ich fange schon wieder an zu scherzen, sorry!
Während der Einheit blicke ich nicht auf die Pace, nicht auf die Distanz und achte vom Körpergefühl her darauf, dass es sich locker anfühlt und nicht zu lange wird. Ich mache in der Woche für gewöhnlich kein Tempo (Ausnahmen bestätigen die Regel, Beispiel folgt später) und auch keine langen Läufe, sondern absolviere schlicht ein paar lockere Dauerläufe. Das ist im Urlaub super praktisch, so kann ich morgens früh meine Runde drehen, erkunde die Stadt, bevor sie so richtig aufwacht und voll wird und habe trotz Ruhewoche dem Körper einen kleinen Impuls gegeben, dass er nicht komplett in den Standby Modus fährt. Und das (viel zu gute) Essen in Italien habe ich mir dann auch schon verdient, rede ich mir jedenfalls ein.
Nochmal kurz das Wichtigste für die Intensität zusammengefasst:

– Lasst es locker angehen (easy Pace/low Heart rate)

Versucht, die Komfortzone nicht zu verlassen (Ausnahme sind Segmente jagen im Urlaub.)
– Macht lieber etwas weniger als zu viel!
– keine langen Läufe
– keine Tempotrainings/Intervalle
Schön und gut, aber was bringt das Ganze überhaupt?
Wer bis hierher durchgehalten hat, dem erkläre ich jetzt auch gerne noch, welche Benefits man von diesen vermeintlich verschenkten Wochen hat. Eins vorweg, eine Entlastungswoche ist niemals verschenkt. Niemals!
Ich versuche mal, die Thematik wieder an meiner Person zu verdeutlichen. Ich habe bis Ende Mai 2023 über 2.000 km trainiert und dabei wenig bis keine Pausen eingelegt, weil der Kalender mit Events im März, April und Mai einige Jahreshighlights beinhaltete, an denen ich topfit sein wollte. Und dafür habe ich entsprechend viel trainiert -> Folglich habe ich mir, wie es halt immer mal vorkommen kann, kleine Wehwechen eingefangen, bin mal umgeknickt und hatte mal ein Murren in der Peronealsehne (die in diesem Leben nicht mehr mein Freund wird). Was tut man am besten gegen Wehwehchen? Man behandelt sie. Und wie? Ja, Creme (Voltaren und co.) und Kühlen, bzw. wenn möglich, dehnen und kräftigen der betroffenen Stellen können helfen, was in meinen Augen aber immer und wahrscheinlich am besten hilft: Ruhe oder Pause. Da ich mir aus besagten Gründen (Wettkämpfe) aber keine zu großen Pausen gönnen wollte, habe ich diese Wehwehchen ein paar Wochen mit mir herumgeschleppt, vielleicht sogar ignoriert. Nicht vorbildlich, ich weiß, aber ich will zum Punkt kommen. In den wenigen Tagen, in denen ich es hier im Urlaub lockerer angehe, sind meine Probleme im Knöchel und der Peronealsehne weg. Sie sind einfach weg. Warum? Weil der Körper hier endlich Zeit hat, seine „Wunden zu lecken“. Blödes Sprichwort, passt aber zu 100 %. Ich erhole mich hier vollständig und merke gleichzeitig bei jedem lockeren Lauf, den ich hier mache, wie gut mir diese Pause tut. Ich habe eine vollgeladene Batterie und spüre die Vorfreude, nach dem Urlaub wieder mit 111 % ins Training überzugehen, um den Grundstein für die Rennen im September – Oktober zu legen. Ich bin quasi bis in die Haarspitzen motiviert, was mich zu einem weiteren Vorteil bringt.
Mental Energie auftanken
Auch für den Kopf ist so eine Pause unglaublich wohltuend. Die ersten 5 Monate des Jahres waren nicht nur für den Körper kräftezehrend, auch mental muss man in guter Form sein, um all sein Training zu meistern und am Wettkampftag alles aus sich herausholen zu können. Das war zwar nie ein Problem von mir, dennoch tut die Pause auch mental gut. Ich muss nicht jeden Tag planen, wann und wie ich laufen gehe, genieße gutes Essen (und Bier in Maßen) und mache Pläne für die Zeit, wenn es wieder los geht.
Ich hoffe, wir sind uns in dem Punkt einig, dass sich auch die Birne von dem vielen Training und den Wettkämpfen ausruhen muss. Das kommt bei mir, wie eben bereits erwähnt, extrem selten vor, aber in solchen Phasen, wo man einfach etwas müde ist und die Lauferei mal nur ein bisschen nach hinten schieben möchte, tut Urlaub oder eine Entlastungswoche einfach gut. Und dann dauert es meist auch nur 1-2 Tage, bis ich wieder lichterloh brenne und bereit bin für meinen neuen Trainingsblock.
Was ich an Entlastungswochen auch immer sehr cool finde ist die Tatsache, sich mit neuen Dingen/Trends/Ausrüstung/Ratgebern/Büchern zu beschäftigen. Für den einen ist es die Yogaübung am Strand, für mich war es die morgentliche Runde an der Adria.
Auf der Liege am Strand habe ich ein paar Bücher von Profisportlern gelesen, Patrick Lange, Kilian Jornet und Jonas Deichmann. Drei unfassbar geile Typen. Sorry für die Ausdrucksweise, aber jeder von ihnen ist (auf natürlich ausschließlich positive Art und Weise) verrückt. Kilian Jornet, wohl der beste Bergläufer der Welt, experimentiert seit Kindesalter mit seinem eigenen Körper in den Bergen, hat ein brutales Mindset und schon unfassbar viel erreicht im Berg- und Traillaufen. Jonas Deichmann ist der personifizierte Optimismus. Wenn ich eins von seinen Abenteuern lerne, dann der Fakt, dass alles, was man anpackt und erreichen möchte, mit genug Geduld und Zuversicht auch erreicht. Auch wenn es Stolpersteine gibt.
Patrick Lange, ebenfalls ein Pfundskerl, erklärt auf eine ziemlich lockere Art und Weise, wie er als Vollzeitprofi tickt und gibt auch mental einiges preis. Zum Beispiel, dass es auch für einen Hawaii-Sieger völlig normal ist, vor einem Wettkampf nervös zu sein. Sich aber damit abzufinden und die Nervosität zu akzeptieren ist ein starker Tipp, den sich viele sicherlich abschauen können. Genug Lektüre-Reviews.
Ich fasse nochmal ganz kurz zusammen, wieso Ruhephasen in jede langfristige Trainingsplanung hineingehören:
– Abschalten/Regenerieren
– Wunden lecken/auskurieren
– Muskulatur und Bewegungsapparat regenerieren lassen
– Mental Energie sammeln und mal kurz Abstand nehmen vom Trainingsalltag
– sich auf neue Ziele vorbereiten
– Vorfreude steigen lassen
– sich mit neuen Dingen (Trainingsformen wie z. B. Dehnen, Yoga, Bouldern und Schwimmen) beschäftigen
Das war’s schon wieder. Cool, dass ihr es bis zum Ende geschafft habt. Wie immer freue ich mich über Feedback (@tist100) und Anregungen. Wie handhabt ihr das mit den Ruhephasen? Wie viele Entlastungswochen pro Jahr sind ideal?