adidas Adizero Boston 10
Ein paar Monate ist die neueste Version der adidas Boston-Reihe nun schon auf dem Markt, aber von Beginn an war eigentlich auf den ersten Blick klar: Der Boston 10 ist anders! Anders als seine Vorgänger. Gute 200 km und diverse Tempo- und Dauerläufe habe ich soeben mit dem Schuh abgespult und möchte euch gerne meine Meinung über den Schuh mitteilen. Eins kann ich schon verraten: Der Schuh sieht nicht nur anders aus als seine Vorgänger, er läuft sich auch (ganz) anders.
Wer schreibt hier:
Hola, ni hao, buenos dias, ciao, calut oder hoi! Ich (Tim) freue mich, dass ihr euch wieder ein paar Minuten Zeit nehmt, um meine geschriebenen Zeilen über den Adizero Boston 10 zu lesen. Wer mich noch nicht kennt, hier eine ganz kurze Vorstellung: Ich bin Tim, 23 Jahre alt, Sportmanagement-Student, wohne und laufe im Bergischen Land und liebe neben Straßenläufen (5-42 km) die Trails in der Natur und den Bergen. Eigentlich fühle ich mich auf jedem Terrain total wohl, man muss nur die richtigen Leute dabei haben. Als ausgebildeter Lauf- und Fitnesstrainer erlaube ich mir ab und zu, mein vakantes Halbwissen niederzuschreiben und ein wenig mit euch zu diskutieren. Alles mit einer Prise Selbstironie und Humor, denn so macht es m. E. für die Leserinnen und Leser mehr Spaß. Bevor ich mich hier verliere, starten wir besser mit dem Schuh-Review, oder?
Diejenigen, die die Schuh-Tests von uns schon kennen, wissen, was jetzt kommt. Los geht es mit ein paar Fakten über den Boston 10:
Sprengung: 8,5 mm
Dämpfung: Lightstrike Pro Schaum und Lightstrike EVA-Dämpfung
Zusatz: Energyrods (fingerartige steife Streifen in der Sohle)
Sohle: Continental Gummi Sohle (Ich liebe die Continental-Sohlen!)
Upper/Obermaterial: Primegreen Textil (50 % des Obermaterials besteht aus recycelten Materialien)
Typ: schneller Dauerlaufschuh für Training und Wettkampf (laut adidas)
Gewicht: 308 g (US 10)
Preis: 150 € bei adidas
Passform: Die Box vorne bietet recht viel Platz. Ich trage exakt die gleiche Größe wie in allen anderen adidas-Laufschuhen. Sehr angenehmer Halt im Mittelfußbereich.
So viel zum Technik-Check des bereits 10. Modells der Boston-Serie.
Zur Info: Die Boston-Serie ist bekannt für schnelle Trainings- und Wettkampfschuhe, weil die flachen Modelle ausreichend gedämpft und dabei nicht zu schwer rüberkamen. Auch die Sohlenhöhe von circa 26 mm war in meinen Augen super angenehm zu laufen, man fühlte sich einfach sehr sicher in dem Schuh. Auch lockerere Dauerläufe ließen sich mit den Boston 7 zum Beispiel ohne Probleme laufen. Dass sich mit dem Boston 10 nun Grundlegendes in der Aufmachung des Schuhs geändert hat, sagte ich bereits zu Beginn. Aber was ist eigentlich neu?
Beginnen wir mal mit der Dämpfung. Der Boston hatte in seiner Historie mal mehr, mal etwas weniger Boost-Dämpfung zu verzeichnen. Der Boston 9 hatte neben der Boots-Dämpfung auch schon die neue Lightstrike-Dämpfung zu verzeichnen, die man jetzt im 10er auch wiederfindet. Neu ist beim 10er auch, dass man augenscheinlich komplett auf das Boost-Material verzichtet und „nur“ die beiden Lightstrike Pro und EVA-Dämpfungsmaterialien verwendet. Ich bin ein großer Fan vom Boost, vermisse es beim neuen Boston aber nicht. Das Lightstrike Pro findet man verstärkt im Mittel- und Vorfußbereich und es ist etwas weicher, dafür aber dynamischer als das restliche Lightstrike EVA-Material, welches man eher an der Ferse wiederfindet.
Ebenfalls neu sind die Energyrods, die wie steife Finger im Vorfußbereich für einen kleinen Kick sorgen sollen. Ich sage mal so: Wenn ich extrem steile Berge auf dem Vorfuß hochgelaufen bin, dann habe ich mir eingebildet, dass der Schuh etwas reaktiver ist und mich ein wenig mehr unterstützt. Beim normalen Laufen und auch bei schnellen Kilometern um die 3:20 min/km habe ich von dem Kick nicht wirklich etwas bemerkt. Übrigens findet man die Energyrods auch in den Carbonmodellen der Adios Pro Reihe wieder, diese Technik wird also auf jeden Fall in schnellen Schuhen verwendet.
Was ich eigentlich direkt zu Beginn ansprechen wollte: Seht ihr auch, dass der Schuh einen enormen Höhenunterschied zu seinem älteren Bruder, dem Boston 9, aufweist? Während man beim Boston 9 an der Ferse knappe 26 mm zum Boden gemessen hat, sind es beim Boston 10 satte 40 mm. Auf dem Papier lesen sich 14 mm jetzt nicht so auffällig, dennoch ruft der „Höhenunterschied“ ganz andere Laufeigenschaften beim Läufer hervor. In Kurven und auf unebenen Waldwegen fehlt mir tatsächlich etwas Sicherheit, weil der Fuß eben deutlich höher über dem Boden platziert ist. Halt im Schuh ist nicht das Problem, dazu komme ich gleich noch. Es geht hier nur um die Höhe der Sohle, die mit 32 mm bzw. 40 mm doch ziemlich hoch ist. Bei den Vorgängermodellen war das weniger ein Problem.
Das Primegreen-Obermaterial, welches wie oben kurz angerissen aus 50 %-recyceltem Ozeanplastik besteht, gefällt mir sehr gut. Der Einstieg in den Schuh ist zwar ein bisschen aufwendiger, weil eine Art zweite Haut unter der Zunge vernäht wurde, diese legt sich aber wirklich gut um den Fuß. Auch die Schnürung des Boston 10 drückt nicht und auch die Zunge, die man gar nicht so weit nach vorne ziehen muss, rutscht nicht und liegt angenehm auf dem Spann.
Zum Fersenbereich wollte ich nicht allzu viel verlieren. Eine Fersenkappe, die ausreichend gepolstert ist, verleiht auch dem hinteren Fußbereich genügend Halt. Blasen hatte ich während der 200 Testkilometer keine. Passt. Und auch die Continental-Sohle tut das, was man von ihr gewohnt ist: Sie ist rutschfest auf trockenem und nassem Asphalt. Ich kenne keine bessere Sohlentechnik. Daumen hoch!
Letzte neue Eigenschaft, bevor ich versuche, euch mal ein wenig Laufgefühl im Boston 10 zu vermitteln. Durch die dickere Sohle und die steifen Energyrods ist der Boston 10 steifer und weniger torsionsfähig. Mit torsionsfähig meine ich, dass man den Schuh wenig „zusammenfalten“ kann. Das ist bei Temposchuhen natürlich nichts Ungewöhnliches. Den Adios Pro beispielsweise kann man entweder gar nicht biegen oder bricht ihn mit zu viel Kraft direkt durch.
So viel habe ich glaube ich noch nie geschrieben, wenn es um Schuh-Neuerungen ging. Ihr seht, hier hat sich echt einiges getan. Und das merkt man auch. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass der Boston 10 mit seinen Vorgängern nichts mehr zu tun hat und eine ähnliche, aber andere Richtung einschlägt. Warum? Das versuche ich euch jetzt so gut es geht zu erklären.
Laufgefühl – ist das wirklich noch ein Boston?
Die Aussage ist gewagt, aber in meinen Augen zumindest diskutabel. Der Boston 10 wirkt auf mich nach über 200 gelaufenen Kilometern nicht direkt wie ein Temposchuh. Ich finde ihn durch sein Gewicht einerseits etwas behäbig, andererseits verleitet mich der Schuh auch gar nicht so sehr zum schnellen Laufen. Ihr wisst bestimmt, was ich meine. Im Adios Pro oder im Nike Vaporfly Next % wirst du quasi aus dem Stand nach vorne gekippt und spürst richtig, dass du mit dem Schuh schnell laufen „musst“. Im Boston 10 habe ich die gesamte Bandbreite von langsamen und langen Dauerläufen bis zu schnellen Tempoläufen absolviert. Und damit meine ich wirklich schnell: Einen 10 km-Trainingswettkampf bin ich in 00:33:30 Minuten auf der Erzbahntrasse in Bochum gelaufen. Seitdem habe ich den Schuh aber auch in die Kategorie „normaler Dauerlaufschuh“ abgestempelt, weil es mir an Dynamik fehlt. Grund dafür mag die Sohlenkonstruktion sein, die auf der einen Seite ziemlich hochgestapelt ist und mir aber auf der anderen Seite kaum bis keinen Push nach vorne bietet.
Dass ich den Boston 10 mit seinen Vorgängern vergleiche, liegt auf der Hand. Die Vorgänger waren leichter, tiefer gebaut und direkter auf der Straße. Dass ich diese Eigenschaften auch im neuen Boston suche, aber nicht finde, hat mich zuerst echt enttäuscht. Jetzt sehe ich das anders, denn ich habe mit dem Boston 10 einfach ein anderes Einsatzgebiet gefunden. Im Training bei lockeren und mittleren Dauerläufen punktet der 10er, sobald es aber etwas schneller wird, kommt der Boston 10 nicht so richtig aus den „Puschen“. Ist das jetzt schlecht? Nein. Ich persönlich werde mit dem Schuh keine Wettkämpfe laufen und lieber auf den Vorgänger zurückgreifen oder mich in dem breiten Angebot der Carbonschuhe austoben, für einen lockeren Halbmarathon für zwischendurch kann ich mich aber mit dem neuen Boston 10 anfreunden.
Großer Pluspunkt: Der Preis. 150 € sind für einen solchen Schuh in Ordnung. Als Student erhält man über adidas sogar nochmal 35 % Nachlass, ich habe also nur 98 € für den Schuh bezahlt.
Also, wer einen schnellen Trainings- oder Wettkampfschuh sucht, den würde ich mit dem Boston 10 nicht ausstatten. Wer die Eigenschaften der ursprünglichen Boston-Reihe sucht, der wird hier auch nicht fündig. Der Schuh ist ein guter Trainingspartner für die täglichen Dauerläufe und auch preislich in meinen Augen nicht zu teuer. Zum Abschluss: Ich bin riesengroßer adidas-Fan und möchte den Boston 10 auf keinen Fall ins schlechte Licht rücken. Ich möchte euch lediglich meine etwas kritische Einschätzung mitteilen. Genau das macht unseren Blog ja auch aus. Der Schuh wurde mir nicht von adidas zur Verfügung gestellt und auch der Bericht steht in keinem kommerziellen Zusammenhang mit den oben genannten Firmen.