Warum ist Radfahren der perfekte Ausgleich zum Laufen?
Einige Läufer/innen unter euch werden schon des Öfteren mit dem Gedanken gespielt haben, ein paar Trainingsstunden und -kilometer auf dem Rad zu verbringen.
Ich jedenfalls fahre oft Rad und kann somit sagen, dass sich die Trainingsbelastungen sehr gut ergänzen. Im folgenden Artikel soll beleuchtet werden, aus welchen Gründen das Radtraining als eine Art Ergänzungstraining auch für uns LäuferInnen hilfreich ist und was es dabei zu beachten gilt.
Immer wieder hört man von bekannten Namen in der Szene, dass neben dem Laufen auch auf dem Rad trainiert wird, prominente Beispiele sind unter anderen Laura Hottenrott und Richard Ringer.
Der körperliche Trainingseffekt des Radfahrens ist dem beim Laufen sehr ähnlich: Die Anforderung an das Herz-Kreislauf-System, das Muskel-Nerven-Zusammenspiel und die Belastung für das metabolische System sind beim Radfahren und Laufen vergleichbar. In der Trainingslehre gibt es ein Prinzip, welches die Symbiose vom Laufen und Radfahren propagiert. Es nennt sich das Prinzip der hohen dynamischen Übereinstimmung. Kurzum bedeutet dieses: Laufen und Radeln ergänzen sich gut, weil die Dynamik der Bewegung ähnlich ist. Dieses Prinzip erklärt auch, dass man in den früheren Phasen der Wettkampfvorbereitung sehr gut auf Radtraining bauen kann, und dieses mit dem näher rückenden Wettkampf dann wieder reduziert.
Auch bei langen Radtouren wird das Einteilen der Kräfte und der Umgang mit der Ermüdung infolge einer Ausdauerbelastung trainiert. Auf dem Rad kann ein sogenanntes No-Impact-Training durchgeführt werden. Es kann also ebenfalls Ausdauer gebolzt werden, mit dem Vorteil, dass Muskeln, Bänder, Sehnen und Gelenke schonender und verletzungssicherer belastet werden. Gelegentlich kann das Radfahren sogar einen langen Lauf ersetzen. Eine Anekdote meinerseits: Auch wenn ihr keine Triathleten seid, kann man durch eine Tour von beispielsweise 40 Kilometern und einem darauffolgenden Koppellauf von ca. fünf Kilometern einen längeren Lauf sehr gut ersetzen, vielleicht sogar substituieren.
Eine gute Fettverbrennung ist im Grunde der Hauptfaktor für eine gute Ausdauerleistung. Die Fettverbrennung kann man am effektivsten durch viele lange Einheiten verbessern. Wegen der Stoßbelastung beim Laufen ist den meisten Läufern nur eine lange Laufeinheit pro Woche möglich. Auf dem Rad dagegen lassen sich gerade bei orthopädischen Problemen optimal Grundlagen legen!
Interessant wird es bei der Frage, welche Umfänge und Intensitäten auf dem Rad dieselben beim Laufen ersetzen können. Ein Vergleichsmaß kann die Berechnung des Energieverbrauchs sein, der ist beim Laufen zwischen 15 und 17 Stundenkilometern im Vergleich zum Radeln zwischen 30 und 35 km/h etwas höher ist.
Da das Radfahren jedoch viel weniger Impact auf die gesamte Muskulatur hat, wird der Kilometerumfang hinzugezogen. Mit einem Umrechnungsfaktor von etwa einem Laufkilometer zu vier Fahrradkilometern hat man einen gängigen Durchschnittswert für das Verhältnis der beiden Sportarten. Bei einem regenerativen 10-km-Lauf im Trainingsplan, den man nun durch eine Radeinheit ersetzen möchte, hieße dies: Man sollte mindestens 40 Kilometer auf dem Rad sitzen, um einen ähnlichen Effekt zu haben. Was den Puls angeht, gibt es beim Vergleich beider Sportarten einen relativ deutlichen Unterschied. Denn beim Grundlagentraining liegt dieser beim Laufen um 10 bis 15 Schläge als beim Radfahren.
Medizinische Untersuchungen belegen, dass sich die Laufen und Radfahren ergänzen. Für eine Studie haben leistungsorientierte Langstreckenläuferinnen über fünf Wochen ihr Trainingsprogramm komplett umgestellt und nur noch die Hälfte des Laufumfangs abgespult und die andere Hälfte durch Rad-Trainingseinheiten ersetzt. Das Ergebnis: Die Laufform büßte nur minimal ein!
Um als Läufer/in einen optimalen Trainingseffekt zu haben, schauen wir auf die Relation von Krafteinsatz und Trittfrequenz. Grundsätzlich ist für Läufer/innen eine höhere Trittfrequenz beim Radfahren empfehlenswert, diese sollte bei 90-110 Umdrehungen pro Minute liegen.
Die hohe Trittfrequenz löst im Nervensystem eine höhere Reaktionsschnelligkeit aus. Dies hat zur Folge, dass man als Läufer auch während schnellen Laufschritten, also vor allen Dingen beim Laufen im Wettkampf-Tempo, profitiert.
Eine hohe Trittfrequenz beim Radfahren entspricht per se eher dem Laufschritt als die ganz dicken Gänge!
Kommen wir zu den beteiligten Muskelgruppen beim Radeln und Laufen.
Beim Radfahren wird primär die vordere Oberschenkelmuskulatur und die Wadenmuskulatur beansprucht. Doch auch der Gesäßmuskel und die hintere Oberschenkelmuskulatur kommen zum Zug. Die hintere Oberschenkelmuskulatur ist auch beim Laufen die treibende Kraft. Wer als Läufer anfällig für Probleme wie dem Schienbeinkantensyndrom ist, kann von dem Radtraining profitieren. Denn dieses stärkt die Schienbeinmuskulatur!
Vom Radtraining profitieren wir vor allem, weil wir uns dort eine tiefere Atmung -in den Bauch hinein- statt einer flachen Atmung aneignen. Diese tiefe Atmung lässt sich zunächst besser beim rhythmischen Radfahren einüben und sich dann auf das Laufen übertragen. Ebenfalls kann man vom Radfahren mit hohen Trittfrequenzen lernen, sich einen Laufstil mit einer höheren Schrittfrequenz anzueignen, wie oben bereits angedeutet wurde.
Wichtig ist, dass man auch auf dem Rad nicht immer die gleichen Reize setzt, sondern eine Vielfalt verschiedener Reize. Neben dem Grundlagentraining können beispielsweise 30/30s-Intervalle die anaerobe Schwelle und Bergauf-Intervalle die Kraftausdauer verbessern.
Mein persönlicher Tipp am Ende des Artikels lautet: Nutzt das Rad, um in Grundlagenphasen des Trainings vom monotonen Laufumfang wegzukommen und dem Körper einen neuen Trainingsreiz anzubieten. Außerdem ist es ratsam, in Phasen intensiven Trainings rational zu handeln und lieber mal auf das Rad zu steigen, wenn man sich müde fühlt!